Eine fragmentierte Annäherung:
Es gibt Begriffe, die sich nicht fassen lassen wollen, weil sie aus Zwischen­räumen bestehen. CHCA ist Zwischen­raum – kein Akronym, keine Signatur. Ein System, das sich ent­zieht, während es agiert. Ein Rahmen, der sich bei jeder Geste ver­schiebt. Ein Ort, der sich nicht be­wohnen lässt, aber durch­quert werden kann.
Faltungen statt Definitionen – Bewegungen, die sich in­einander ver­schieben, statt sich fest­zu­schreiben. Was sich zeigt, ist kein Werk, sondern eine Denk­bewegung. Keine abge­schlossene Autor:innen­schaft, sondern die Spur eines kuratierten Prozesses. Ein Zu­griff auf Welt, tastend, ver­handelnd, in Reibung, in Resonanz.
Es ist eine Praxis, die aus Resten und Relationen gebaut ist. Ein Gefüge, das nicht von sich spricht, sondern in sich hinein­horcht. Wo Geltung zur Frage wird, und jede Form eine temporäre Einigung auf etwas, das sich gleich wieder auf­löst.
In der Fläche liegt Differenz. Im Wider­spruch das Material. Was ent­steht, ist weniger ein System als ein Aggregat­zustand: beweglich, durch­lässig, offen für das, was sich nicht ein­deutig zu­ordnen lässt.
Das künstlerisch-­gestalterische Denken und Handeln, nicht als Stil oder Disziplin, sondern als choreo­grafierte Spannung zwischen Intuition und Struktur, Körper und Konzept, Theorie und Begehren.
Es geht nicht darum, Ordnung zu schaffen. Sondern darum, die Bewegungen der Fragmente wahr­zunehmen – und ihre Temperatur.
Ein Kompostium1 – ein Zusammens­piel aus Ver­fall und Formung. Ein Gelände, in dem sich Über­reste, Versuche und Zukunfts­splitter über­lagern und gegen­seitig zersetzen.
Ein Komplex aus Abweichungen:
Kein Anfang, der hält. Eine Ver­faltung aus Nutzungs­zuständen. Handfläche und Halb­satz. Rest­material und Pro­jektion. Was sich zeigt, bleibt in­stabil. Ein Kompostium1 aus Wider­spruch. Fermente und Fragmente – nicht als Formen, sondern als Ver­fahren und Bewegungs­verhältnisse.
Schwellen­organe und Durchgangs­formen. Fugen aus Ver­suchungen. Inter­ferenzen und Schwingungs­schatten. Rück­koplungen und Resonanz. Nach­bilder und Ver­schiebungen.
Sprechen als Struktur. Tasten als Ver­such. Denken als Container. Driften, poietisieren, mototopieren2 – nicht als Rolle, sondern als Zu­griff. Nicht ver­körpert. Operativ. Temporär. Re­aktiv. Nicht ab­geschlossen. Nicht ver­fügbar. Eine fluide Assemblage.
Verknüpfungen, die sich verheddern, auflösen, wieder erscheinen. Manchmal aus­gebreitet, manchmal faltig. Eine Durchgangs­form für das Instabile. Ein Gebirge für Ko­existenz. Eine Fläche für Differenz. Ein Gehäuse ohne Dauer.
WiderspruchZahnrad
KörperMöglichkeit
FalteEcho
HandKopf
SpracheAbrieb
StofflichkeitVerb
BlickSchwebe
NomenFrage
WortSpalt
Kein Konsens. Reibung als Rhythmus. Beweglichkeit im Fragment. Offen beleben für Differenz, für Revision, für Resonanz.
Zwischen Poiesis und Mototop2. Zwischen Driftwerk und Schätzer­truhen3. Zwischen Theorie und Begehren. Zwischen Wissens­formen, die sich nicht gleichen müssen.
queering as method
Störung - Strategie der Irritation normativer Ordnungssysteme. Keine Methode im klassischen Sinn – sondern ein Eingriff in kulturelle, historische und ästhetische Grammatikregeln von Sichtbarkeit und Lesbarkeit. queering as method unterläuft binäre Denksysteme, destabilisiert Identitätsrhetoriken und verschiebt die Regeln der Darstellung. Im Mototop wird queering zum Modus der Unterbrechung: eine ästhetisch-politische Praxis, die Kategorien nicht auflöst, sondern unleserlich macht. Die Methode ist nicht fixierbar – sie operiert in der Lücke, im Exzess, im gestalterischen Dazwischen. Ziel ist kein affirmativer Ausdruck, sondern Reibung, Widerstand, Verwerfung. queer nicht als Identitäts-zu/be-schreibung, sondern Bewegung: eine Methode des Entgleitens, ein Werkzeug für andere Möglichkeitsräume.
disidentification (José Esteban Muñoz, Konzept), opacité glissante (Édouard Glissant, Konzept), fugitive planning (Fred Moten/Stefano Harney, Konzept).
body/anti/body
Gestalt - Entzug. Artikulation eines Verhältnisses zwischen Mode und Körper, Repräsentation und Fragmentierung. Mode erscheint nicht als Umhüllung eines intakten Körpers, sondern als Technik der Sichtbarmachung, Verwerfung, Störung. Der Körper ist nicht Ursprung, sondern Austragungsort – Projektionsfläche, Resonanzraum, Konfliktzone. body/anti/body bezeichnet kein Entweder-Oder, sondern ein driftendes Verhältnis: zwischen Form und Auslöschung, Präsenz und Absenz, Materialität und Konzept. Ein Raum, in dem Körper zugleich erfahrbar und unlesbar, gestaltet und entzogen, codiert und aufgelöst sind. Im Mototop fungiert dieses Verhältnis als Reflexionsfeld für Körperpolitiken, Affektregime und ästhetische Strategien der Subversion.
body without organs (Gilles Deleuze/Félix Guattari, Konzept), dysmorphia as method (Paul B. Preciado, Konzept), performative acts (Judith Butler, Konzept)
_ Nikki Sullivan/Samantha Murray (Hg.): Somatechnics: Queering the Technologisation of Bodies. Farnham (UK): Ashgate Publishing, 2019.
3 Schätzertruhe
Begegnung - Wertzuschreibung – ein imaginärer Raum für subjektiver Wertzuschreibungen: ein Ort für Bedeutungsreste, poetische Fundstücke und Möglichkeitsstücke jenseits von Besitz- und Verwertungslogiken. Anders als Schatzsuchende begegnen Schätzer:innen Objekten zufällig, nicht durch Sammlung, sondern durch zufällige Entdeckung. Ein Konzept, das den Blick auf das Nicht-Akkumulierbare richtet: Dinge, die nicht gesammelt, sondern erfahren und wiederholt bearbeitet werden, um ihre Bedeutungen zu transformieren und zu erweitern. Sie ist ein Raum für das Unvollständige, das Fragmentierte – für Reste von Bedeutungen, poetische Fundstücke und Möglichkeitsstücke.
poethical wager (Joan Retallack), archive of feelings (Ann Cvetkovich), ordinary affects (Kathleen Stewart).